Bei den Mitgliedern der Luftwaffen-Sportfluggruppe schlug ich Alarm, und nach festgelegtem Plan liefen die Startvorbereitungen an. Mit dem Turm wurde der Flug abgesprochen. Wir wollten mit zwei Segelflugzeugen, einem Zugvogel IV und einer Ka 8b, fliegen. Sie wurden an den Start gebracht. Sauerstoff und Barograph überprüft und mein Kamerad Sigi Funkat und ich zogen uns warm an, nicht ganz ausreichend, wie ich später feststellen mußte. Zum Schlepp bereit, saß ich im Zugvogel und wartete auf die Do 27, unsere Schleppmaschine mit Schlepper Eberhardt, die noch warmlaufen mußte. Einklinken - und Punkt 12:00 Uhr ging es los.
Wir schleppten direkt in Richtung Barsinghausen. In stetem Steigflug
zog die Do bis auf gut 1200 m. Turbulenz hatte es im Anflug kaum gegeben.
da die Rotoren nicht bis zu dieser Höhe hinaufreichten und auch bei
früheren Flügen nie große Turbulenz gezeigt hatten. Kurz
vor Erreichen des Wellenaufwindes wurde die Leistung der Schleppmaschine
soweit zurückgenommen, daß wir mit 0 m/s Steigen flogen. Wir
fanden uns rund drei km nördlich von Barsinghausen. Gleich mußte
es losgehen! Richtig, das Vario begann zu klettern - ausklinken. Nase in
den Wind und auf ging die Suche nach dem stärksten Steigen.
Nach einmaligem Vor- und Zurückfliegen war es mit angezeigten
2 m/s herausgefunden. Der Aufwind war ruhig. Steigwert und Position gab
ich an Wunstorf-Turm durch zur Weitergabe an meinen Nachfolger, der inzwischen
auf die Rückkehr der Do wartete. Der Schlepp hatte 10 Minuten gedauert.
Die Lentii hatte sich etwas weiter im Osten bestens ausgebildet. Eine
entsprechende Verlagerung brachte jedoch kein stärkeres Steigen. Inzwischen
war ich auf 2400 m geklettert und mußte feststellen. daß das
Steigen mit weiterem Höhengewinn kontinuierlich geringer wurde und
bei 5400 m 0 rn/s erreichte. Warum, wurde mir sogleich klar. In dieser
Höhe hatte ich die Lenti erreicht, die sich jedoch gerade im Auflösen
befand. Sollte damit der Aufstieg zu Ende sein? Hier half nur Warten, denn
an einer falschen Position konnte es nicht liegen. Vor mir, zwischen Süntel
und Deister, stand in gleicher Höhe eine gut ausgeprägte Lentl
von rund 15 km seitlicher Ausdehnung. Wahrscheinlich war durch irgendeinen
Umstand das System kurzzeitig gestört worden.
Währenddessen war unsere Ka8 unter mir eingestiegen und eine Ka7 der Sportfluggruppe Bückeburg-Achum mit Rainer Wienzeck am Knüppel hatte sich hinzugesellt. Bückeburg-Turm, offensichtlich mit einem .Controlier" mit Herz für Segelflieger besetzt, hatte sich bei mir über Funk entsprechende Informationen geholt und auch dort Wellenalarm gegeben.
Nun wurde es Zeit, das Sauerstoffgerät anzulegen. Nach gut 5 Minuten Wartezeit formierte sich hinter mir eine neue Lenti und mit 0,60 bis 0,80 m/s Steigen ging es weiter aufwärts. Jetzt begann sich allmählich die Kälte bemerkbar zu machen. Die Aternfeuchtigkeit schlug sich an der Haube nieder und gefror. Noch konnte ich dem Eis durch Abwischen Herr werden, aber ab 7000 m Hohe mußte ich mich auf das Freihalten von "Gucklöchern" beschränken. Die Temperatur wer bereits auf über -30°C abgesunken. Hier machte auch das E-Vario nicht mehr mit. Nach immer kleiner werdender Anzeige stand es jetzt still auf "0". Die beiden Stauscheibenvarios funktionierten dagegen weiterhin einwandfrei.
Langsam ließ indes die Kälte meine Knie steif werden. und bei einem Steigen von 0,45 m/s mußte schweren Herzens der Abstieg begonnen werden, der immerhin noch 25 Minuten in Anspruch nahm. Sauerstoff war noch ausreichend vorhanden gewesen.
Nach 3:25 Stunden Flugzeit setzte ich wieder in Wunstorf auf. Die Freude war groß und die Diamanthöhe geschafft. Die Auswertung des Barogramms ergab 6500 m Startüberhöhung und ein durchschnittliches Steigen von 0.60 rn/s. Die beiden anderen Piloten hatten jeweils 6300 m und 5500 m erreicht. Fliegerpech hatte S. Funkat: sein Barograph hatte versagt.
Allgemein ist zu dem Wellensystern zu bemerken: Die größte Häufigkeit liegt in den Wintermonaten, besonders im Oktober und Februar. Es besteht meistens nur kurze Zeit. 6 bis 12 Stunden, seltener über ein bis zwei Tage (zum Beispiel am 31.10. und 1.11.1968). Nur bei Idealbedingungen können große Höhen erreicht werden. Das Steigen nimmt kontinuierlich mit der Höhe ab, der Bereich des Steigens verläuft senkrecht und verschiebt sich kaum. Gute Ausgangsflugplätze sind Wunstorf, Bückeburg, Blomberg. Vennebeck, Rinteln und Pötzen. Von den letztgenannten drei Plätzen ist ein Erreichen der Welle durch Windenstart möglich, durch Ausnutzung des Hangwindes am Wesergebirge beziehungsweise Süntel.
Den Segelfliegern im nördlichen Deutschland ist also eine günstige Möglichkeit für Höhenflüge gegeben. Durch geringere Steigwerte und dadurch bedingte schwache Turbulenz, beste Landemöglichkeiten im gesamten umliegenden Gelände sowie die Möglichkeit, von mehreren Plätzen aus anzufliegen, machen die hiesige Wellenfliegerei erheblich gefahrloser als zum Beispiel im Alpengebiet (siehe aerokurier 12/1968: Innsbruck am 1. und 2.11.1968). Und auch im Deister-Süntel-Gebiet wäre ausreichend Platz für über 100 Maschinen!
Die Wettersituation
Die Wetterlage am Tage des Wellenfluges: Links das Bodenwetter,
rechts die Höhenwetterkarte (500 mb)
Die Druckverteilung am Boden wie im 500 mb-Niveau zeigte ein Tief mit
dem Kern westlich der britischen Inseln und ein Hoch mit dem Zentrum über
der Adria. Dadurch ergab sich über dem Kontinent eine SW-Schleifzonenlage,
die einen gleichmäßigen SW-Wind, der mit der Höhe zunahm,
erwirkte. Die Windwerte betrugen im bodennahen Raum 220° und rund 20
kn. Mit der Höhe fand eine allmähliche Rechtsdrehung auf 245°
und eine Geschwindigkeitszunahme auf 45 kn statt. Allgemein ist eine Windrichtung
von 195° bis 240° in Bodennähe günstig mit den obengenannten
Geschwindigkeiten.
Die Schichtung der Atmosphäre wer annähernd trockenadiabatisch
und damit verhältnismäßig stabil. In 1200 m lag eine leichte
Inversion, die sich aber als förderlich für die Wellenbildung
erwies. In gut 5000 m Höhe fielen Temperatur- und Taupunktkurve zusammen,
was zur Bildung der Lenticulariswolken führte. Ansonsten war 2/8 Cs-
und Cc-Bewölkung vorhanden, die den Flug jedoch nicht beeinflußte.
Die ergiebigsten Aufwindgebiete liegen in der Mitte parallel zwischen
Süntel und Deister und in der ersten Deister-Leewelle. Es ist zu vermuten,
daß ein Erreichen der Tropopause möglich Ist. Der Verfasser
hofft, daß bald viele Kameraden Erfahrungen in diesem Wellensystem
sammeln werden.