Sonderrundschreiben der Segelflugkommission

Betr.: WellenflugmögIichkeiten am Deister

DEUTSCHER AERO CLUB,  Hannover, den 3.März 1968
Landesverband Niedersachsen e. V.
Segelflugkommission


(Hier veröffentlicht mit herzlichem Dank an Heinz Löffler, LSV Hameln, für die Überlassung der Originalunterlagen)
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Liebe Kameraden!
Es hat sich nicht zuletzt durch die Veröffentlichungen im "Aerokurier" herumgesprochen, daß auch wir Segelflieger in Niedersachsen die Möglichkeit haben, Wellenflüge durchzuführen.

Als bisher bestes Gebiet hat sich der Deister gezeigt.
Selbstverständlich gibt es in Niedersachsen auch noch andere Gebiete, wo bisher einzelne Wellenflüge durchgeführt wurden, die Schwierigkeiten der Nutzung liegen jedoch jeweils an den örtlichen Bedingunpen.

Die Segelflugkommission des LVN hat daher versucht, die organisatorischen Bedingungen zu schaffen, um allen niedersächsischen Leistungsfliegern Wellenflüge am Deister zu ermöglichen.

Zunächst erst einmal müssen die meteorologischen Bedingungen bekannt sein, bei denen es zu einer sogenannten stehenden Welle kommen kann. Dann ist weiterhin interessant zu wissen, welche Verhältnisse bisher an den Tagen herrschten, an denen erfolgreiche Flüge durchgeführt wurden.

Dankenswerterweise hat sich der Meteorologe, Herr Oberregierungsrat Schulze, vom Deutschen Wetterdienst, Wetteramt Hannover, die Mühe gemacht, systematische Aufzeichnungen zu führen, die er uns zur Veröffentlichung zur Verfügung, stellte.

Es handelt sich um die Auswertung von fünf Flügen, bei denen auch die Wetterentwicklung an den beiden Vortagen aufgezeichnet wurde. Diese Aufzeichnungen finden Sie im Anhang.


Wellenflugmöglichkeiten am Deister

Als Ideallage wurde eine Karte mit der Bezeichnung "Allgemeine Lage" erstellt, die die Möglichkeit bieten soll, sie mit den Aufzeichnungen der Wetterkarten im Fernsehen und in der Presse zu vergleichen, um selbst feststellen zu können, ob sich eine Wellenlage anbahnt.

Zur Entstehung solcher Wellenlagen am Deister sagt Herr Oberregierungsrat Schulze folgendes:

"Das Wesentliche für eine Wellen-Wetterlage ist der hohe Luftdruck im Süden und Südosten. Dieses Druckgebilde ist entscheidend. An der West- bis Nordwestseite dieses Hochs herrscht in unserem Raume im allgemeinen Südweststömung. Es wird dadurch feuchte, warme Meeresluft in unseren Raum befördert.

Wenn ein Tiefdruckgebiet vom Atlantik her nach Südengland und zur südlichen Nordsee und dann nach Südschweden wandert, wird in unserem Raum die Luftmasse eingeengt, denn sie kann wegen des blockierenden Hochs im Süden und Südosten nicht abfließen. Die Windgeschwindigkeit wird zunehmen und besonders mit der Höhe laufend stärker werden. Der Wind kommt dann aus der günstigsten Richtung, d. h. Süd-Südwest.
Zum Zustandekommen der stehenden Welle ist nun nötig, daß Resonanz auftritt. Bei der Wellenbewegung muß jeweils ein Wellenberg auf die Bergrücken und ein Wellental in die Tallagen fallen. Dann beginnt die Schwingung laufend stärker zu werden und reicht hinter den Höhenzügen bis über 7000 m hinauf.
Sichtbar werden die stehenden Wellen durch die bekannten Wogenwolken (alto cumulus lenticularis), die sich streifenweise, parallel zu den Höhenzügen anordnen und damit die Räume mit Aufwinden gut zeigen."
Soweit die Ausführungen von Herrn Oberregierungsrat Schulze.

Es muß noch darauf hingewiesen werden, daß die Bodenwetterkarten (Anlagen) nicht allein bzw. absolute Auskunft geben. Es kommen noch die Faktoren der Windrichtung, Geschwindigkeit, Temperatur und Feuchte in der Höhe hinzu.
Es dürfte allen Kameraden klar sein, daß es keine Bilderbuchrezepte gibt. Auf der anderen Seite haben sich jedoch schon viele Kameraden mit der AngelegenheIt befaßt und sie kommen einheitlich zu der Feststellung, daß wir öfter die Wellenwetterlagen haben, als sich mancher erträumt.

Die größte Häufigkeit der Wellenlage ist zwischen August und Ende Januar eines Jahres.

Die geografische Lage des Wellengebietes:
Die Nordseite des Deisters mit der nördlichen Begrenzung durch die Bundesstraße 65.
Im. Westen durch den Ort Barsinghausen. Im Osten durch den Ort Gehrden.
Diese räumliche Begrenzung konnte bei mehreren Flügen festgestellt worden.

Und nun viel Erfolg!
Mit freundlichen Grüßen

Jüttner Segelflugsachbearbeiter
 


Anlage zum RS Wellenflugmöglichkeiten am Deister

Welle am Ith, Deister, Elm am 14. 8. 1966
Es herrscht ein Hoch über Südosteuropa.
Berichte über diese siehe Flüge siehe "Aerokurier" November und Dezember 1966 und Bericht von Rudolf Müller, Braunschweig.
Die beiden folgenden Karten zeigen die vorherige Entwicklung (12. und 13.08.66).

14.08.66:

Welle nördlich vom Deister am 9.12.1964
Tief nördliche Nordsee.
Hoch 1035 mb Alpenraum bis zu den Karpaten.
Die beiden folgenden Karten zeigen die vorherige Entwicklung (7. und 8.12.64).

Erreichte Höhe am 9.12.64 durch Kurt Eichler 6.300 m

Welle nördlich vom Deister am 11.10.1964
Tief Südengland - Nordsee.
Hoch im Alpenraum.
Erreichte Höhe von Heinz Steube 5.500 m. Temperatur -27°C,
Welle reichte noch höher.
Siehe Bericht "Aerokurier" Dezember 1964.
Die beiden folgenden Karten zeigen die vorherige Entwicklung (9. und 10.10.64).

11.10.64:

Welle nördlich vom Deister am 31.10.1968
Hoch über Norditalien mit 1025 mb und Alpen stationär, Warmluft aus SW,
Erreichte Höhe von Wilfried Reinhardt 7.800 m, Anfang der Welle bei 2.000 m.
Die beiden folgenden Karten zeigen die vorherige Entwicklung (29. und 30.10.68):

31.10.68:

Welle nördlich vom Deister am 27.11.1968
Hoch wandert vom Raum Paris über Süddeutschland nach Böhmen-Mähren (1013 mb). Tief  om Atlantik nach Irland und Südengland
Erreichte Höhe durch den Kameraden Wehmeier 3.400 m.
Die beiden folgenden Karten zeigen die vorherige Entwicklung (25. und 26.11.68):

27.11.68:

Karte "Allgemeine Lage"
Sie zeigt die Ideallage für die Entstehung von Leewellen an Mittelgebirgen.
Bedingungen:
Hoher Luftdruck im S oder SE.
Durch ein Tiefdruckgebiet, das von England zur Nordsee-Südschweden wandert, wird die Störung eingeengt, da sie durch das Hoch im S oder SE blockiert wird. Bei bestimmten Windgeschwindigkeiten kann Resonanz der Welle an den Höhenziigen und somit eine stehende Welle hinter dem Bergland entstehen, die durch Wogenwolken sichtbar wird und bis über 7.000 m NN hinaufreicht.

gez. Schulze (Oberregierungsrat)