Thermik und Leewelle
Erfahrungsberichte
bei Mittelgebirgssegelflügen unter Ausnutzung beider Aufwindarten
Abb. 1: Wellen-/Thermikflug am
Nordharz (Aschersleben/ 19.08.2006) mit scheinbar gemeinsamer Aktivität
beider Aufwindarten.
Vorwort
„ Gegen Mittag hat dann die Thermik die Welle zerstört ! “
„ Nach Thermikende konnte ich dann noch in die Welle einsteigen.“
„ … nach etwas Thermikflug gelang es wieder in die Welle einzustiegen …“
Diese oder sinngemäß-ähnliche Aussagen findet man in vielen Berichten auf unserer Mittelgebirgsleewellenseite und man toleriert den scheinbar vorhanden Widerspruch.
Diejenigen unter uns, die die Möglichkeiten des Wellensegelfluges in den Nord- bzw. Südalpen nutzen, akzeptieren in ihren Vorstellungen das gleichzeitige Auftreten von Thermik und Hang- bzw. Wellenaufwind und haben manchmal sogar von Verstärkungsmechanismen zwischen thermischem und dynamischem Aufwind profitiert. Die Erfahrungen, z.B. in Südfrankreich zeigen natürlich auch, das vor Thermikbeginn bzw. nach Thermikende oft bessere Bedingungen für Wellenflüge angetroffen werden und man plant den frühen „Wellenabflug“ und den späten „Wellenheimbringer“ für großer Streckenflüge schon lange mit ein.
Trotzdem hält sich in unseren Breiten die Vorstellung das die Thermik die Welle bedroht!
Theoretisch kann man das alles erklären, es gibt dafür auch Modelle und Begriffe. Aber die Verbindung zwischen den „Wahrheiten“ muß erflogen werden - quasi als Rückkopplung zur Theorie und zur regionalen Wichtung der Einflußfaktoren.
Das Erfliegen der Bedingungen für gute Wellen kann man allein versuchen oder - wie im neu geschaffene Leewellenforum möglich (http://www.segelflug.de/events/leewelle/) – durch gemeinsames Zusammentragen von Informationen und praktischen Erfahrungen vereinfachen.
Ich persönlich habe mich für den zweiten Weg entschieden und möchte mit diesem Beitrag eine Diskussion über das gleichzeitige Vorkommen von „Thermik und Leewelle“ und über Möglichkeiten der streckensegelfliegerische Nutzung anstoßen !
Ausgewählte Flüge mit meteorologischen und flugpraktischen Beobachtungen
Abb. 2 : Durch den Harz (linker Bildrand – Mitte) induzierte
Lenticulariswolken nördlich
von Aschersleben. Einzige Bewölkung vor Thermikbeginn.
Beginnen möchte ich die Diskussion zu dem oben genannten Thema mit der Beschreibung mehrerer Flüge bei einer schwachen Südwestlage am 19.08.2006.
Wellenflug am Harz vom 19.08.06
Gegen 8.30 UTC, noch vor Thermikbeginn, startete ich in Aschersleben mit unserer Stemme und flog direkt vor die nördlich des Platzes stehende Lenticulariswolke (vergl. Abb. 2) . Ich fand schwaches Steigen und konnte im reinen Segelflug die Höhe halten bzw. später sogar etwas Steigen.
Wellenflug am Vogler vom 19.08.06
Zur gleichen Zeit war Andreas Gidde (Start: Bisperode 10.40 Ortszeit– Wind am Boden SSW 10-15 km/h) mit einer ASW 27 nach Windenstart schon im Hangflug am Ith unterwegs. Bei noch wolkenlosem Himmel konnte er langsam im Lee des Vogler immer mehr Höhe aufbauen.
Wellenflug Im Raum Kassel am 19.08.06
Am gleichen Tag wurden weitere Wellenflüge im Raum Kassel (Christof Maul, AF Frankfurt),
Wellenflug im Raum Hildesheim vom 19.08.06
im Raum Hildesheim ( Fritz Hornbach und Felix ?, Hans Kabatnik, Hildesheim ) und
Wellenflug Im Raum Göttingen am 19.08.06
in Göttingen (Frank Fröhlich, Mosenberg) durchgeführt.
Allen Flügen gemeinsam war, das sie im Wellenaufwind, in der Thermik und z. T. nochmals in der Welle durchgeführt worden sind und durch ein von Westen hereinkommendes Gewitter beendet wurden.
Ich werde zunächst die Wellensituation bei Thermikbeginn im Bereich Aschersleben und den sich daraus entwickelnden Flug beschreiben. Im zweiten Teil dieser Diskussion zum Thema „Thermik und Leewelle“ (der zu einem späteren Zeitpunkt verfasst wird ! )möchte ich näher auf die allgemeine Wettersituation und auf vergleichbare Bedingungen zwischen den Flügen vom 19.08.2006 eingehen.
Abb.
3+4 : Wind in 1500m und Satellitenbild gegen 10.00 UTC . Bei Thermikbeginn sind
noch Leticularisstrukturen im
Lee des Voglers und im Lee des Harzes zu erkennen.
Beim Start am FP Aschersleben kam der Wind aus Südwest mit ca. 10 km/h auf der Bahn.
Wie aus der Windkarte der Abbildung 3 ersichtlich, waren auch im 850 hPa Niveau mit 25-30 km/h für eine Wellenentstehung am Nordostharz eher schwache Bedingungen. Am Brocken herrschte 10.00 UTC eine Windgeschwindigkeit von 40 km/h bei einer Windrichtung von 220 Grad. Im Satellietenbild der Abbildung 4 sind Lentikularisstrukturen am Nordostharz und im Voglerlee erkennbar. Den Beginn der konvektiven Aktivität konnte ich vor der Lenti, in schwachem Steigen fliegend, beobachten (vergl. Abb. 5+6).
Abb.
5+6: Blick Richtung Südost mit Darstellung des Beginns der konvektiven
Wolkenbildung
Den Beginn der konvektiven Aktivität konnte ich vor der Lenti, in schwachem Steigen fliegend, beobachten (vergl. Abb. 5+6). Mit Annäherung an die Wolke wurden die Steigwerte im Geradeausflug etwas besser (1 m/s), gleichzeitig verhinderte aber die zunehmende Turbulenz das Steigen bis an die Wolke heran auszufliegen. Nach mehreren Versuchen ein effektiveres Steiggebiet zu finden versuchte ich thermisch bis ins Lee des Brocken zu gelangen. Auf dem Weg gegen den Wind fand ich auch turbulente Steiggebiete im Blauen.
Nach Thermikbeginn stieg die Basis nur sehr langsam an, sodass sich das Vorfliegen schwierig gestaltete.
Abb.
7+8: Mit Thermikbeginn kam es zur Cu-Wolkenstraßenbildung und die
Lenticularisbe-wölkung wurde weniger. Das Satellitenbild und das Foto Richtung
Nord entstanden fast zur gleichen Zeit
Eine interessante Beobachtung war, dass – wie auf der Abbildungen 1+9 erkennbar – kurze Zeit „Rotorwolken“ und Cu’s nebeneinander existierten. Die vermeintlichen Rotorwolken hatten beim Anfliegen ein unwahrscheinlich starkes Fallgebiet leewärts ! Die „Rotorwolken traten regelmäßig im Luv der Lentis auf. Man konnte deren Steiggebiet nur mit großer Schräglage und bei starken Turbulenzen nutzen. Völlig anders im Vergleich zu den anderen Cumulanten, die auch eine deutlich strukturierte Basis hatten (vergl. auch nochmals Abb.8).
Abb. 9 : Vergleich zweier Wolkenstrukturen mit
Hinweis auf das gleichzeitige Vorkommen von
„Rotorwolken“ und normalen Cu’s.
Nachdem sich die thermischen Bedingungen deutlich verbesserten habe ich auf die weitere Suche nach Wellen verzichtet und meinen Flug rein thermisch fortgesetzt. Zwei Dinge haben mich unterwegs noch an die Wellenaktivität erinnert.
Zum einen war es der Blick in Richtung Erzgebirge, welcher in der Abbildung 10 dargestellt ist und deulich Lentikularisstrukturen erkennen lässt.
Und zweitens konnte ich zwischen Roitzschjora und Bitterfeld eine tragende Linie im Blauen fliegen, die sich nicht aus thermischen Aktivitäten herleiten ließ.
Abb. 10 : Oberhalb
der Konvektionsbewölkung in Richtung Südost sind Lentikularisstrukturen
erkennbar.
Der Rückflug erfolgte rein thermisch gegen den schwächer werdenden Wind. Ein nochmaliger Einstieg in den Harzwelle war aufgrund eines herannahenden Gewitters nicht mehr möglich. Der Flug endete nach 6, 5 Stunden in Aschersleben, wo noch Wellenaktivität aufgrund der Wolkenstrukturen vermutet werden konnte (vergl. Abb. 11+12).
Abb. 11+12 : Situation am Flugplatz Aschersleben
kurz vor 18.00 UTC. Bild 11 der Blick nach Osten mit angedeuteter Föhnlücke
und Bild 12 nach Norden mit deutlicher
Föhnlücke im Lee des Harzes.
Zusammenfassende Betrachtung der Flüge
In der Abbildung 13 sind alle Segelflüge des 19.08.2006 ( IGC-Datei !), welche durch die Aufwindformen Thermik und Leewelle im Bereich der nördlichen Mittelgebirge durchgeführt worden sind dargestellt.
Abb. 13 : Darstellung der Flüge vom 19.08.2006
unter der Maßgabe „Thermik und Leewelle“.Die weißen Ovale schematisieren
die Wellenstandorte.
Abb. 14: 3-D-Darstellung der Wellenstandorte mit
Blick aus Ost auf den Harz. Im Vordergrund die Harzwelle,
in Verlängerung des Harzes die Wellenflüge im Voglerlee und am linken
Bildrand die Flüge im Raum Göttingen (grüner Pfeil = Hauptwindrichtung.
Wird fortgesetzt !
Stand: 24.09.2006