Zum Föhnprinzip und über das "Harzföhnprojekt"


[Karl-Heinz Dannhauer, Oschatz / Jörg Dummann, LSV Bad Gandersheim]
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Einführung

Was ist für Segelflieger und Funkamateure gleichermaßen interessant?

Zum Beispiel:  „Atmosphärische Wellen“!

Das Titelbild zeigt eine durch Bewölkung markierte Wellenschwingung, die durch eine kleine Insel in der Grönlandsee namens Jan Mayen bei starkem Wind aus Nordwest ausgelöst wird.

Auf dieser Insel ist übrigens eine Wetter- und auch eine Amateurfunkstation.

Durch orografische Hindernisse ausgelöste Schwingungen der Luft gibt es nicht nur im Nordpolarmeer sondern auch in den deutschen Mittelgebirgen wie z.B. im Harz. Das nachstehende Bild (Abb. 1) zeigt die typische Leewellenbewölkung am Nordharz bei starkem Wind aus Südwest.


Abb.: 1   Wellenwetterlage mit deutlich erkennbarer Föhnlücke über Aschersleben.

Ja, wie entstehen nun solche Wellenbewegungen der Luft und was macht sie für den Segelflieger so interessant ?

Landläufig bekannt ist, dass Segelflugzeuge im Sommer in warmer aufsteigender Luft Höhe gewinnen und durch wiederholtes Kreisen in der Thermik z.T. große Strecken  zurücklegen können. Im Winter ist wenig Thermik, so dass die meisten Segelflugzeuge „Winterschlaf“ halten.

 Aber nicht bei uns! Wir sind eine kleine Gruppe von Segelfliegern, die seit mehr als 10 Jahren im Herbst und Winter in den Leewellen der deutschen Mittelgebirge Segelflüge durchführen. Bei diesen Flügen wurden schon Höhen über 7000 m erreicht. Die nachstehende Abbildung 2 zeigt ein Bild aus dem Cockpit eines Segelflugzeuges während eines Leewellenfluges am Nordharz in ca. 3000m Höhe – das Abenteuer Leewellen-Segelflug!

 


Abb.: 2  Wellenwolken über dem Harz.

In dem folgenden Bericht möchten wir über unsere Erkenntnisse aus verschiedenen Wellenflügen berichten und besonders auf die Natur der Leewellenentstehung eingehen.

In den letzten drei Jahren haben wir ein kleines Forschungsprogramm zur Leewellen- und Föhnentstehung ins Leben gerufen und hoffen, Mitstreiter für das Abenteuer „Leewellen besser verstehen“ auch aus den Reihen der Funkamateure zu gewinnen. Am Ende dieses Aufsatzes wollen wir deshalb auf mögliche Ansatzpunkte für eine Zusammenarbeit eingehen. 

Das Harzföhnprojekt

Das nachstehende Schummerbild (Abb. 3) zeigt im Hintergrund den Harz und einen mittels Logger aufgezeichneten Leewellenflug (linke Bildseite) am Nordostharz. Bei starkem Südwestwind kommt es zur typischen Wolkenbildung im Lee des Harzes. Diese als „Föhnfische“ oder „ Linsenwolken“ (rechte Bildseite – Webcam Halberstadt) bezeichneten, meist ortsständigen Wolken, markieren für uns Segelflieger die Gebiete mit aufsteigender Luft .


Abb.: 3   3-D-Darstellung eines Wellenfluges.

An diesem Tag (26.10.2006) wurden leider nur 2600m Höhe erreicht, obwohl die „meteorologischen Indikatoren“ eine günstigere Prognose angezeigt hatten. Wir wollten mehr wissen über die Wellenentstehung und deren Vorhersage.

Von privaten und kommerziellen Wetterstationen rund um den Harz wurden die meteorologischen Daten näher betrachtet. Es konnte festgestellt werden, dass sich eine typische Temperaturverteilung rund um den Harz im Tages- verlauf einstellte, wobei ein besonders starker Föhneinbruch in den Frühstunden des 26.10.06 im Lee (Wernigerode) mit fast 10 Grad Temperaturdifferenz zur Luvstation (Göttingen) festgestellt wurde (vergleiche nachstehende Abbildung 4).


Abb.: 4   Temperaturmessungen im Luv und im Lee des Harzes.

Bei der Betrachtung der Tageszeit in der der Flug durchgeführt worden war (gegen 14.00 Uhr MEZ) konnten neben den Kaltluftseen (blau) auch die Föhngebiete (rot) lokalisiert werden (siehe Abbildung 5).


Abb.: 5   Temp
eraturwerte von privaten und kommerziellen Wetterstationen.

Es zeigte sich, dass der Wellenflug in einem vom Föhn nicht so begünstigtem Gebiet stattfand und vielleicht dadurch, von der fliegerischen „Ausbeute“ her, unter unseren Erwartungen blieb.
Als Schlussfolgerung aus unseren meteorologischen Betrachtungen wollen wir zukünftig über die Messung der „potentiellen Temperatur“ (höhenunabhängiger Temperaturwert) Aussagen über die Föhnaktivität am Harz zusammentragen. Dabei sollen sowohl die Daten von Bodenstationen, als auch die meteorologische Messdaten, die an Bord der Segelflugzeuge mit Hilfe des von Karsten Hansky und Dirk Langenbach entwickelten Loggers („MPL“) gewonnen werden, zur Auswertung kommen.
Wir versprechen uns von unseren Bemühungen einen direkten praktischen segelfliegerischen Nutzen (GPS geführtes Anfliegen der Wellenstandorte) und einen theoretischen Erkenntnisgewinn zur Frage der Leewellenentstehung.

Der Föhn: Erwärmung im Lee

„Ein Föhn ist in der Regel ein Wind auf der Leeseite eines Gebirges, der beim Abstieg eine Erwärmung und Trocknung erfährt.“ Dies ist der erste Teil einer Definition, welche die World Meteorological Organisation zur Verfügung stellt [11].

Tatsächlich lässt sich ein solcher Föhneffekt auf der von der Hauptwindrichtung W/SW abgewandten (Lee-) Seite des Harzes klimatologisch nachweisen. Dies ist Kartendarstellungen der Durchschnittstemperaturen und noch deutlicher denen der durchschnittlichen Niederschlagsmengen zu entnehmen. In Abb. 6 stellt sich der Effekt im vierzigjährigen Mittel als eine dem trockenerem Südosten des europäischen Kontinents entspringende und im Hauptwindrichtungslee des Harzes und sogar des daran anschließenden Mittelgebirgsrandes sich erstreckende Zunge geringerer mittlerer Dezember-Niederschlagssummen dar.

Nur wenige physikalische Zusammenhänge müssen bekannt sein, damit diese Erwärmung erklärbar wird: Luftdruck und Temperatur sind in dem (auch umkehrbaren) Sinne voneinander abhängig, als sich bei Komprimierung einer definierten Luftmasse, also Druckerhöhung, eine Temperaturerhöhung beobachten und auch im Experiment herbeiführen lässt. Wenn man weiß, dass die Temperatur ein statistisches Maß für den durchschnittlichen kinetischen Energieinhalt der Luftmoleküle in einem definierten Volumen sind, lässt sich anschaulich verstehen, dass eine Verkleinerung des Volumens mit der Erhöhung der Teilchendichte auch eine entsprechende „Aufkonzentrierung“ der enthaltenen kinetischen Energie bewirkt. Da diese Erwärmung ohne Energiezufuhr von außen (und Energieverlust nach außen) auftritt, wird sie als „adiabatisch“ (griech. α [a] – nicht, διαβαίνειν [diabaínein] – hindurchgehen) bezeichnet.

Wenn wir noch die Tatsache mit in Betracht ziehen, dass der Luftdruck in größeren Höhen niedriger ist als in geringen – einfach weil die Masse der auflagernden Luft, also deren auflastendes Gewicht, mit zunehmender Höhe des Messortes abnimmt - können wir schon jetzt verstehen, dass ein Absinken der Luftmassen im Lee eines Höhenzuges aus größeren Höhen in geringere mit einer Erwärmung einhergehen muss – eben weil, wie festgestellt, mit dem Absinken eine Druckerhöhung verbunden ist.



Abb. 6: Mittlere Niederschlagssummen [mm] Dezember 1891 - 1930 [2]

Diese Erwärmung erfolgt tatsächlich mit einem konstanten Wert von ca. 1°C/100m – desgleichen umgekehrt die Abkühlung beim Aufstieg.

Desgleichen umgekehrt die Abkühlung beim Aufstieg?

Dann können wir so nicht verstehen, warum es im Lee wärmer sein soll, als im Luv! Die Abkühlung beim Aufstieg entspricht der Erwärmung beim Abstieg – unter der Voraussetzung, dass beide Strecken gleich groß sind, was beim Harz hinlänglich gegeben ist.

Die Erklärungsnot kann überwunden werden durch Berücksichtigung eines weiteren Faktors: der Luftfeuchtigkeit.

Ein definiertes Luftvolumen kann nur eine bestimmte Menge an – unsichtbarem - gasförmigen Wasserdampf aufnehmen. Wärmere Luft in höherem Maße als kältere. Wird diese Grenze überschritten, so fallen Wasserdampfmoleküle aus der gasförmigen Phase in den flüssigen Aggregatzustand, indem sie sich – makroskopisch - zu kleinen Tropfen zusammenfinden. Bei diesem Übergang geben sie einen Großteil ihrer hohen kinetischen Energie, den sie in der Gasphase inne haben, an die Umgebung ab. Dies wird in Form einer Erwärmung derselben feststellbar – als sogenannte Kondensationswärme. Den umgekehrten Effekt kennen wir aus eigener Erfahrung besser: den Verlust an Wärmenergie, den wir spüren, wenn Wasser etwa von unserer Haut verdunstet – nämlich die Verdunstungskälte.

Aber wie soll dieser physikalische Effekt Ursache für die Erwärmung im Lee sein, wenn wir dort doch eher Wolkenauflösung beobachten – wobei doch Wärmeenergie eher „verbraucht“ wird?

Es gelang Hann [6] im Jahre 1866 - nach anderer Quelle [11] erst 1943 von Ficker & De Rodder [5] - aus der Beobachtung, dass sich im Anstrom feuchter Luft auf der Luvseite eines Bergzuges häufig eine mächtige Staubewölkung mit Niederschlag einstellt, ein elegantes in sich schlüssiges Denkmodell abzuleiten, dass die auftretenden Luv-/Lee - Temperaturdifferenzen zwanglos zu erklären vermochte: kühlen sich beim luvseitig erzwungenen Aufstieg der Luftmassen diese zunächst mit ca. 1°C/100m ab, so ist durch diese Abkühlung bei ausreichender Luftmassenfeuchtigkeit bald die Grenze der Aufnahmefähigkeit der Luft für gasförmigen Wasserdampf erreicht und es entstehen Tröpfchen, die einen Wolkennebel bilden. Die dabei freiwerdende Kondensationswärme führt dazu, dass sich die Luft bei dem weiteren Aufstieg in den Wolken mit weniger als 1°C/100m abkühlt. (Der Wert wird umso kleiner, je mehr Feuchtigkeit zeitgleich kondensiert) Das Denkmodell geht nun davon aus, dass die Staubewölkung so mächtig ist, dass sich die kleinen schwebenden Tröpfchen zu größeren Regentropfen zusammenfinden können, die schließlich nicht mehr schwebefähig sind und deswegen aus der Luftmasse ausfallen - die Luftmasse also beim Aufstieg Feuchtigkeit verliert.

Verfolgen wir anhand des Schemas Abb. 7 den Weg eines Luftpakets über den Bergzug so beobachten wir Folgendes: Der Aufstieg beginnt  in 500m Höhe und erfolgt bis bis in eine Höhe von 1.000m mit einer Temperaturabnahme von 1°C/100m. Für den weiteren Aufstieg auf 2.000m Gipfelhöhe wird ein – durch die Kondensationswärme – erniedrigter Wert von durchschnittlich (!) 0,65°C angenommen. Aufgrund des Feuchtigkeitsverlustes durch Abregnen auf der Luvseite erstrecken sich die Wolken beim leeseitigen Abstieg nicht bis auf das Niveau hinab, auf dem sie sich luvseitig anfingen zu bilden, sondern lösen sich schon beim Überströmen des Bergkammes auf. Das hat zur Folge, dass der Abstieg eines Luftpakets aus einer Höhe von 2.000m bis auf 500m mit einer Erwärmung desselben um ca. 1°C/100m erfolgt. Die Luftmasse gelangt durch den längeren trockenadiabatischen Abstieg dort mit einer – im Denkmodell - um 3,5°C höheren Temperatur an, als sie vor dem Überströmen des Bergzuges im gleichen Höhenniveau aufgewiesen hatte!


Abb.7: Klassisches thermodynamisches Föhnprinzip

Ein überzeugendes, elegantes Denkmodell – didaktisch (trotz eines gewissen höheren Anspruchsniveaus, welches  aber wiederum dem Lehrenden durchaus zu einer gewissen Befriedigung verhelfen mag) hervorragend geeignet, das Phänomen „Föhn“ schlüssig zu erklären. Es findet sich so seit der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und noch immer in allen (!) Schul- und Lehrbüchern zum Thema.

Und doch kann „Föhn“ so nicht hinlänglich erklärt werden. Und die Faszination, welche diesem gedanklichen Konstrukt innewohnt, ist ein warnendes Beispiel dafür, wie verlockend und dennoch fehlleitend vornehmlich auf Eingängigkeit ausgerichtete didaktische Reduktion sein kann.

Denn:

Wird diese Modellrechnung nicht auf qualitativem Niveau mit angenommenen Durchschnittswerten (-0,65°C feuchtadiabatischer Gradient) durchgeführt, sondern mit realistischen Werten quantitativ korrekt, so wird der tatsächliche auf diese Weise erreichbare  Föhneffekt um ein Vielfaches geringer ausgeprägt [7]. Dies so weitgehend, daß seine maßgebliche Rolle bei der Entstehung des Föhns grundsätzlich in Frage gestellt werden muss.

Ja, das Auftreten des Föhneffekts ist darüber hinaus gar nicht an das Vorhandensein von Staubewölkung und Niederschlagsbildung in dieser gebunden - auch bei vollkommen wolkenlosem Himmel gibt es Föhn. So gab es auch am 26.10.06 (Abb. 3, 4 und 5) keinen Luvstau mit Niederschlag am Harz.

Noch weitergehend wurde schon von Lammert 1920 [11] festgestellt, daß die Luftmasse im Luv unterhalb des Kammniveaus häufig stagniert, d.h. gar nicht an der Überströmung beteiligt ist (vgl. Abb. 9).

Heute können wir mit größerer Allgemeingültigkeit feststellen, dass Föhnwetterlagen sich – grundsätzlich bedingt -  durch eine „stabile“ Luftmassenschichtung auszeichnen. Das bedeutet, dass die geschichtete Luft mit zunehmender Höhe weniger kalt wird, als sie sich beim entsprechenden Abstieg adiabatisch erwärmen würde. Bei solch einer Wetterlage weist also abgestiegene Höhenluft immer höhere Temperaturen auf, als die dem Boden auflagernde (Vgl. Abb 8 und 9).


Abb. 8: Föhn als Folge eines Kaltstaus im Luv bei stabiler Luftschichtung
“Österreichischer Föhntypus“ nach Hann [verändert nach 8]


Abb. 9: Blick über die Brennersenke am Alpenhauptkamm in Tirol mit stagnierender Südluft
[Foto: Dr. Johannes Vergeiner, Innsbruck]

„Warum steigt der Föhn in die Täler herab?“

Die Klärung dieser von von Ficker im Jahre 1931 formulierten, aber auch schon vorher länger im Raum stehenden Frage, hat in der Wissenschaft über Jahrzehnte zu kontroversen Diskussionen und der Bildung von insgesamt neun Föhntheorien [1 / 8] geführt. Insbesondere blieb es rätselhaft, wie es bei Föhnereignissen regelmäßig zu starken „Föhnstürmen“ kommen konnte, die genau begrenzt auf die Landschaften der Leehänge von Gebirgen katastrophale Schäden anrichteten.

 Generationen von interessierten Schülern und Studenten haben grübelnd vor dem oben besprochenen, auf thermodynamische Betrachtungen beschränkten Schema gesessen und versucht, die Antwort auf diese Frage zu verstehen; versucht, das innewohnende Dilemma aufzulösen, dass die auf der Luvseite von den Kräften eines Hochdruckgebietes vor- und aufwärtsgetriebene Kaltluft schließlich überkämmend den Leehang, ob ihrer niedrigen Temperatur, also hohen Dichte, hinabstürzt und sich dabei erwärmt - so sehr, dass sie wärmer als die umgebenden Luftmassen im Talgrund ankommt („Wasserfalltheorie“, Rossmann, 1950 [8]).
Wärmer als die umgebenden Luftmassen...? – aber woher stammt dann ihr Antrieb? Besser ihr „Abtrieb“? Nein, auch bei Berücksichtigung von Trägheitseffekten muss dieser Fallwind auf der kühleren, bodennahen Luftmasse „aufschwimmen“, kann diese bestenfalls „erodieren“ (Vertikale Aspirationstheorie nach Streiff-Becker, 1931 [8]), nicht aber zum Boden durchdringen., also keinen warmen Föhnsturm auslösen.

Bei kalten Fallwinden (katabatischen Winden), wie der adriatischen Bora, wäre dies Denkmodell schlüssig, aber selbst in dem Fall sind – wie wir heute wissen – andere (nachfolgend beschriebene) Effekte wirksamer als der oben auf rein thermodynamischer Ebene Betrachtete.

Könnte das bei Föhn regelmäßig auf der Leeseite vorzufindende Tief der absteigenden Föhnluft durch Absaugung der gebirgs- und bodennah lagernden kühleren Lee-Luftmasse Raum geben? Sie so weit in das Tal „hinuntersaugen“? (Horizontale Aspirationstheorie nach von Ficker, 1931 [8]) Ein schlüssiger Ansatz: der Druckausgleich zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten erfolgt tatsächlich bodennah. Müsste es dabei aber nicht zur Bildung von Leewirbeln kommen, die das beobachtete hangnahe Herabstürzen der sich erwärmenden Föhnluft bis auf den Talgrund durch turbulente  Durchmischungsvorgänge verhindern?

Es war Hermann Schweitzer, ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes, der im September des Jahres 1952 den Teilnehmern der Zweiten internationalen Tagung für alpine Meteorologie in Obergurgl, Tirol, einen noch hypothetischen Ansatz für eine neue Föhn-Theorie vorlegte, die – auch aus seiner von Wetterflügen herrührenden praktischen Erfahrung schöpfend - endlich schlüssig die Frage nach den Ursachen für das, teilweise so gewalttätige, Absteigen des Föhns erhellte [10].


Abb. 10: Hermann Schweitzer (re.) bei seiner Verabschiedung aus dem Dienst im Jahre 1971 [3]

Die bereits erwähnte, stabile Schichtung der Föhnluftmassen zeichnet sich in der Natur häufig nicht durch eine in der ruhenden Luft gleichmäßig, kontinuierlich verlaufende Temperaturabnahme mit der Höhe kleiner als der adiabatische Gradient aus, sondern vollzieht sich regelmäßig in Sprüngen; verursacht durch Luftschichten, die mit zunehmender Höhe eine konstante oder gar zunehmende Temperatur aufweisen. Die Grenzflächen zu solchen Schichten, die ja Dichte (-abnahme-) sprüngen entsprechen, sperren jeglichen Austausch von Luftmassen ober- und unterhalb sehr wirksam ab („Sperrschicht“).

Liegt eine solche Sperrschicht knapp oberhalb des Gebirgskammniveaus, so wird für den in Bodennähe ablaufenden Luv-/Lee-Druckausgleich eine Engstelle geschaffen. In diesem Schlitz zwischen Kamm und Sperrschicht treten hohe und höchste Windgeschwindigkeiten auf – und dennoch kann unter diesen Umständen der mögliche Luftmassenaustausch nicht für einen Druckausgleich zwischen der Luv- und der Leeseite ausreichen. Nämlich dann, wenn das Transportmaximum der Verengung kleiner ist als der für den Ausgleich benötigte Massenstrom. Und in diesen Situationen kommt es zum Auftreten von Föhn: Die Sperrschicht – also die Obergrenze der dichteren, unteren Luftmasse – wird im Lee auf diese Weise durch den verbleibenden Lee-Unterdruck weit herabgesaugt. Im Extremfall folgt sie dem Hangverlauf bis zum Talgrund, was u.U. katastrophale Stürme dort auslöst. Eine sich selbst verstärkende Falle: die diese Situation auslösende Sperrschicht verhindert gleichzeitig die Bildung eines die Energie großflächig abbauenden Leewirbelsystems am Gebirgsabhang.

Der zweite, hier noch zu ergänzende Teil der Föhn-Definition der World Meteorological Organisation bestätigt diese Ausführungen: „Die treibende Kraft sind entweder synoptische Strömungen oder ein Druckgradient über dem Gebirge, aber keine katabatischen Effekte.“ [11]

Föhn und Wellen

In der Abb. 5 erkennen wir auch im Harzlee die geschilderte Situation - aber nicht so, wie sie in der Klimasicht (Abb. 6) erscheint: abweichend davon ist nur ein kleinerer Bereich höherer Temperatur im Raum Wernigerode zu erkennen.

Worin liegt die Ursache dafür, dass die Erwärmung lokal begrenzt auftritt? Es scheint die durch den Abstieg erwärmte Höhenströmung zu sein, die dort auftrifft (vgl. Abb. 5 u. 11). Aber es gibt noch eine zweite „Wärmeinsel“ mit größerem Abstand zum Harzlee! Warum ist die Erwärmung offenbar gleichzeitig an unterschiedlich Orten zu beobachten? Sollte es in größerem Abstand zum Harz zu einem nochmaligen Durchdringen von adiabatisch erwärmter Höhenluft zum Boden gekommen sein?


Abb. 11: Leewellenentstehung durch Föhn [verändert nach 8]


Abb. 12: Auslösung von Leewellen im Modellversuch [Foto: Jörg Dummann]

MPEG 1 - Video (2,5 MB)

In der Tat erfährt die am Leehang nach unten ausgelenkte und beschleunigte Strömungsschicht im weiteren Verlauf wiederum ein Aufschwingen (und in Bodennähe eine Abbremsung), dem bei passender Konstellation der steuernden Parameter wiederum ein Abschwingen (und Beschleunigen in Bodennähe) folgen kann, usf. In den aufsteigenden Ästen der Wellen ist es den Segelfliegern möglich, je nach Ausprägung der Wellenwetterlage unterschiedlich hoch zu steigen (vgl. Abb. 13).


Abb. 13: Leewellensystem, für den Segelflug nutzbare Steiggebiete sind rot markiert [Quelle:
Martin Grund (www.martingrund.de) verändert nach Ralf Fischer (www.wellenfliegen.de)]

Verkompliziert wird die reale Situation dadurch, dass auch eine solche zweidimensionale Betrachtung von Schwingungsvorgängen die Verhältnisse in der Natur womöglich nicht hinreichend umfassend abbildet: das Titelbild zeigt, dass darüber hinaus auch das Auftreten von seitlich am Strömungshindernis auftretenden Wirbelstrassen und/oder die Entwicklung von großräumig ausgebildeten Karman’schen Wirbelstraßen auch am Harz hypothetisch in Betracht gezogen werden sollte.


Leewellen am 15.10.2006 ausgelöst vom Ith-Nordkopf bei Ostwind (Blickrichtung Nord) Foto: Andreas Gidde, Hannover]

Ziele

Ein lohnendes Ziel gemeinsamer künftiger Aktivitäten wäre es, die Föhnströmung z.B. am Harz durch eine Vergrößerung der Anzahl von Boden-Messstationen feiner aufgelöst zu erfassen und die Auftrefforte der erwärmten Höhenluft so in der Horizontalen genauer darstellen zu können.

Eine Ergänzung dieses Bildes durch im Fluge gewonnene Messwerte würde es erlauben, die Föhnströmung auch in der 3. Dimension quantitativ gesichert darzustellen.

Für das detailliertere Verständnis des Föhnwellenphänomens wäre es interessant, gleichzeitig Höhe und Beschaffenheit der Sperrschicht, ebenso wie die angrenzenden Schichtungs- und möglichst auch Strömungsverhältnisse, zu ermitteln.

Interessant wäre es, das bei den Funkamateuren beliebte Phänomen der Überreichweiten, das ebenfalls bei Inversionswetterlagen auftritt, in Form einer Zusammenschau der atmosphärischen Ausbreitung sowohl von mechanischen als auch von elektromagnetischen Wellen zu betrachten. Parallelen („Ducted waves“ / „Trapped Waves“) deuten sich an.

Das Schönste jedoch daran ist, dass Funkamateure und Segelflieger das „Abenteuer Forschung“ für ein besseres persönliches und vielleicht sogar grundlegendes Verständnis von Föhn und Föhnwellen gemeinsam eingehen könnten.

Karl-Heinz Dannhauer
Jörg Dummann

Literatur- / Quellenverzeichnis

[1] Dürr, B. (2000): Föhn heute und gestern - ein interdisziplinärer Forschungsbericht, Diplomarbeit, LAPETH

[2] DWD (Mitarb.: Brose, K.) (1964): Klimaatlas von Niedersachsen

[3] DWD (1971): Abt.-Präsident Dr. Hermann Schweitzer in den Ruhestand eingetreten, Mitt.d.DWD, Bd.19, S.18-20, 1971

[4] Ficker, H.v., (1931): Warum steigt der Föhn in die Täler herab? Meteorol.Z.66 ,227-229.

[5]
Ficker, H.v., De Rudder, B. (1943): Föhn und Föhnwirkungen – Der gegenwärtige Stand der Frage. - Akad. Verlagsg. Becker & Erler, Leipzig,

[6] Hann, J. (1866): Zur Frage über den Ursprung des Föhn. - Zeit. Öster. Ges. Met. 1 (1), 257-263, Wien
[7] Sprenger, Michael (2007): Überschlägige quantitative Beispielrechnung thermodynamisches Föhnprinzip http://elbanet.ethz.ch/forum/read.php?33,370,373#msg-373

[8] Steinacker, R. (2006): Alpiner Föhn – eine neue Strophe zu einem alten Lied, DWD, ProMet, Jgg. 32, Heft 1/2 2006, S. 3-10, http://www.dmg-ev.de/gesellschaft/publikationen/pdf/promet/pdf_gross/Promet_32_1-2.pdf

[9] Schirmer, H. (1988): Schülerduden Wetter und Klima, Duden-Verlag, Mannheim

[10] Schweizer, H. (1953): Versuch einer Erklärung des Föhns als Luftströmung mit überkritischer Geschwindigkeit. - Archiv Met. Geo. Biokl., Ser. A5, 350-371

[11] Wikipedia – „Föhn“ http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6hn

Powerpoint-Slides  zum zweiten Teil des Vortrages:


MPEG 1 - Video (2,5 MB) (wie oben)